Vortrag
Werkstattgespräch Judith-Frederike Popp
Gewalt, Irrationalität, Gestaltung – Eine Standortbestimmung
‘I dont want to show things, but to give people the desire to see’ – Agnes Varda
Judith-Frederike Popp ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät Gestaltung, Schwerpunkt Philosophie, Wissenschaftstheorie und Ästhetik an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt. Sie studierte Philosophie, Psychoanalyse und Germanistik in Frankfurt am Main und wurde 2018 an der Goethe-Universität Frankfurt am Main promoviert.
Bei unserem Dienstagsgespräch am 02. April schilderte sie uns, wie ihr Studium ihr gelehrt hat, stets eine Perspektive, einen Standpunkt zu entwickeln.
Nach dem Studium startete sie ein Forschungsprojekt über Gesetz und Gewalt im Film und zeigt auch hier ihre Haltung gegenüber diesem Thema. Anhand exemplarischer Filme verschiedener Genres – vom Western über den Polizei- und Kriegsfilm bis hin zum Animationsfilm – untersucht sie, wie die Verzahnung von Recht, Gesetz und Gewalt im Kino dramatisiert wird.
Neben dieser veröffentlichten Arbeit beschäftigte sie sich außerdem mit der ‘Irrationalität als Wagnis’, wie auch ihr dazu veröffentlichtes Buch diesen Titel trägt.
Philosophie und Psychoanalyse unterhalten seit Sigmund Freuds Lebzeiten ein spannungsvolles Verhältnis. Die damit einhergehenden Diskussionen tendieren jedoch immer wieder dazu, die Disziplinen gegeneinander auszuspielen oder sie aneinander anzugleichen. Dieses Buch stellt sich der Herausforderung, einen disziplinenübergreifenden Standpunkt jenseits solcher Einseitigkeiten zu identifizieren, von dem philosophische wie psychoanalytische Perspektiven in Hinblick auf ihr ethisches Denken und ihr kritisches Selbstverständnis profitieren können. Den Ausgangs- und Schwerpunkt bildet dabei ein philosophisches Unbehagen gegenüber aktuellen philosophischen Ansätzen, die ein Ideal praktischer Vernünftigkeit propagieren, demzufolge sich gelingendes Person-Sein aus einer abstrakten Vorstellung reflexiver Distanznahme ableiten lässt. Im ersten Kapitel wird der Ansatz von Christine Korsgaard als exemplarischer Fall dieses Vorgehens diskutiert. Die weitere Argumentation ergibt sich aus den Überlegungen, dass dieses Ideal der Vielfalt praktischer Vernunftausübung und Selbstbestimmung nicht gerecht werden kann und dass dieser Umstand wesentlich mit einer fehlenden Praxis methodologischer Selbstreflexion zusammenhängt. Der erste Punkt wird anhand des Phänomens praktischer Irrationalität diskutiert, dessen Relevanz für menschliche Lebenswirklichkeiten von den abstrakten Idealisierungen praktischer Vernünftigkeit nicht erfasst werden kann. Der zweite Punkt impliziert eine Hinterfragung des philosophischen Standpunkts als paradigmatischer Verkörperung von Vernunft als reflexiver Distanznahme, die über eine Konfrontation mit psychoanalytischer Theorie und Praxis schließlich zu einer philosophischen Perspektive zurück führt, deren Potential sich gerade in der Kritik ihrer eigenen Rationalitätsansprüche entfaltet. In der Zusammenführung dieser Punkte unter Berücksichtigung von Autoren wie Martin Seel, Sebastian Gardner oder Jonathan Lear gewinnt so ein Bild von Irrationalität Kontur, bei dem die philosophisch-ästhetische Erkundung psychoanalytischer Erzählungen das Potential dieses Phänomens hervortreten lässt, Selbstbestimmungspraktiken als Wagnis zu bereichern.
Im Bezug auf ihre Kompetenzen für ihre zukünftige Arbeit an der Fakultät lässt sich sagen, dass Frau Popp zugleich ein kritisches wie generalistisches Verständnis von Philosophie einhält. Außerdem eine Denkweise, die ein differenziertes Verhältnis von Forschung und Wissenschaft sowie von Theorie und Praxis anstrebt.
Sie zeigt eine theoretische und praktische Begeisterung für die vielfältigen kreativen Prozesse, welche im Design stattfinden können und ist bereit, philosophische bzw. theoretische Selbstverständlichkeiten auf die Probe zu stellen.
Ihr Interesse beruht auf einem Verständnis von Design als Schnittpunkt von Kunst und menschlichen Lebensformen, als originäre Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis. Außerdem philosophische Fähigkeiten, Ideen und Denkanstöße zu vermitteln, stets Designformen und Designern, die Interesse wecken, mit Neugier zu begegnen.
In Zukunft will sie sich mit ästhetischer Selbstbestimmung beschäftigen, mit Studierenden über die Möglichkeiten der Designprozesse diskutieren, sich damit forschend auseinandersetzen.