Dienstagsgespräch
Albert-Jan Pool
Die geometrische Grotesk, ein Bauhaus-Mythos?
Dienstagsgespräch am Montag
Das Bauhaus, vor fast 100 Jahren gegründet, war eine Akademie, die viel Staub aufwirbelte. Ihre analytische und puristische Haltung, mit der sie den Problemen des Designs zu Leibe rücken wollte, erschien bahnbrechend. Die Produkte, die hier entstanden, ob es nun Gemälde, Gebäude, Bühnenbilder, Plakate, Anzeigen oder Schriftzeichen waren, weisen eine enge visuelle Verwandtschaft auf. Mit ihrer deutlich erkennbaren elementaren Formensprache von Quadraten, Kreisen und Dreiecken schien das Bauhaus am liebsten die ganze Welt auf einen Schlag verändern zu wollen.
Die Intensität und die Überzeugung mit der das Bauhaus ihre Ideen propagierte – und vor allem die Faszination, mit der Kunsthistoriker das Phänomen Bauhaus beschrieben – kreierten einen Mythos. Dieser besagt, dass jede Gestaltungsmethode bei der Quadrate, Kreise und Dreiecke die Grundformen bilden, erstens im Bauhaus ihren Ursprung findet und zweitens von unbestreitbar hoher Qualität sei.
In der Zeit, als ich anfing in Den Haag zu studieren, erzählte mein Dozent für Schriftgestaltung Gerrit Noordzij, dass die Jungs am Bauhaus zwar interessante Dinge gemacht hatten, aber in Sachen Schriftgestaltung keine relevanten Beiträge geliefert hatten. Später bestätigten mir internationale Kollegen diese Meinung. Schriften sollte man nicht mit Zirkel und Lineal konstruieren. Insbesondere die DIN Schrift war verpönt. Sie war für die Wegweiser an der Autobahn entwickelt worden, genau in der gleichen Zeit als das Bauhaus angesagt war. Unter den Meinungsmachern des Designs wurden die Gestaltungsmethoden des Bauhaus hoch gelobt; die konstruierte DIN Schrift wurde jedoch abgetan als ein Hirngespinst von Ingenieuren.
Jahre später gestaltete ich die FF DIN. Weil es die DIN Schrift war, die hierfür Modell gestanden hatte, wollte ich wissen, wie sie entstanden war. Vielleicht hat es eine Verbindung zum Bauhaus gegeben? Auch die kontroverse Diskussion um die konstruierten Schriften wollte ich untersuchen: Wie konnte es sein, dass die einst bewunderten Schwäne zu hässlichen Entlein verkommen waren?
Bei der Suche nach möglichen Verbindungen zwischen Bauhaus und DIN entdeckte ich eine bereits im 19. Jahrhundert beginnenden Reihe von bekannten und weniger bekannten Pädagogen und Reformern: Fröbel, Soennecken, Gropius, Porstmann, Goller, Schwitters, Bayer, Schmidt, Tschichold und andere. So verschieden wie die Motive dieser Personen gewesen sein mögen, alle verband die Suche nach Systemen bei denen elementare Formen als Basis für die Gestaltung bilden sollten. Die meisten dieser Akteure haben zu ihrer Zeit selbst erkannt, dass systematisch angelegte Einfachheit nicht automatisch zu den besten Lösungen führen konnte. Geschweige denn, dass diese günstiger und schneller zu reproduzieren waren. Die Diskussion um den Sinn der Vereinfachung begleitet die Moderne noch bis heute. Auch jetzt, wo die globalisierte Welt um uns immer komplexer zu werden scheint, wird die Frage nach einfachen Lösungen laut.
In meinem Vortrag stelle ich zwei Fragen zur Diskussion:
Wie einfach ist einfach?
Wie gut ist einfach?
Albert-Jan Pool


Albert-Jan Pool, geboren 1960, Studium Grafische und Typografische Gestaltung an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in Den Haag. Lebt und arbeitet seit 1987 in Hamburg, zuerst bei Scangraphic und URW, danach selbstständig; am liebsten als Schriftgestalter (u.A. FF OCR-F und FF DIN sowie Corporate Type für C&A, die Hamburger Gaswerke, Syndicate Brand & Corporate Design sowie die Tankstellen von JET und HEM). Seit 1995 Unterricht Schriftgestaltung an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. Zwischendurch Mitinhaber von FarbTon Konzept + Design.
Seit 2004 forscht er zur Geschichte der Normschriften DIN 16 und DIN 1451 und ist seitdem als Referent zu diesem Thema im In- und Ausland unterwegs. Mitglied der ATypI (1985), der AGD (2001), des TDC (2001), des Forums Typografie (2005) und des internationalen Arbeitsausschusses »Typografie in der Wissensvermittlung« (2016). Als Obmann des DIN-Ausschusses »Schrift« zeichnete er 2013 verantwortlich für die überarbeitete Fassung der DIN 1450 über Leserlichkeit von Schriften. Seitdem referiert er über die Erkenntnisse, die in diese Norm eingegangen sind und warum diese uns als Schriftgestalter, Typografen und Kommunikations-Designer betreffen.










