Werkstattgespräch
Judith Glaser
Entwerfen und Verwerfen gehören zusammen wie Greifen und Begreifen, davon ist Judith Glaser überzeugt. Aus dem Kunsthandwerk kommend, ist ihre Gestaltung geprägt von Prozessdenken. Das schließt sowohl ihren eigenen Arbeits- und Schaffensprozess ein, als auch die (alternativen) Handlungsvorschläge, die ihren Entwürfen oft innewohnen. Anhand einzelner Arbeiten gibt Judith Glaser Einblicke in ihr Schaffen, das immer wieder stark zwischen kunsthandwerklicher Praxis und digitaler Interaktion oszilliert. Ein Augenmerk soll dabei vor allem auf der Rolle des Prototyps als Vermittler zwischen Gestalter*in und Konzept, Gestalter*in und Kund*in, Gestalter*in und Nutzer*in sowie Digitalem und Analogem liegen.
Judith Glaser ist gelernte Goldschmiedin mit Berufserfahrung im In- und Ausland. Sie hat einen Master-Abschluss in Produktdesign mit Schwerpunkt Interaktionsdesign von der Kunsthochschule Berlin Weißensee. Erst freiberufliche Gestalterin war sie zuletzt für Studio NAND, einem Berliner Designstudio, das sich auf datengetriebene Benutzeroberflächen und interaktive Technologien spezialisiert hat, tätig. Diese Arbeit und ihre Lehrtätigkeit für das interdisziplinäre Projektformat ‚Coding IxD‘ führten zu ihrem Forschungsinteresse an Kompetenzen und Wissenskonstellationen an der Schnittstelle von Design und Informatik.
Neues Fachgebiet, neue Professur: Ein Werkstattgespräch von Prof. Judith Glaser
Am 12.06.2023 durften Student*innen und Professor*innen Einblicke in das neue Fachgebiet neoanaloge Objektgestaltung gewinnen. Prof. Judith Glaser ist seit dem Sommersemester an der Fakultät und hat uns im Rahmen der Werkstattgespräche ein äußerst beeindruckendes und informatives Kennenlernen ihrer Person, ihres Schaffens und ihrer Arbeitsweise gegeben. Beginnend zeigte sie uns Trauringe mit umfassender und detaillierter Gravur als eine ihrer ersten kunsthandwerklichen Arbeiten. Skizzen und Prototypen aus Papier demonstrieren, wie dokumentarisch und „herantastend“ ihre Arbeitsweise ist. Uns wurden Entwurfs- und Prototypisierungsprozesse im Rahmen von früheren Aufträgen gezeigt, zum Beispiel in verständlichen Grafiken veranschaulichte Transport- und Logistikprozesse für eine nachhaltige Milchlieferung. Mit Bildern ihrer Arbeiten, Ideen und Prototypen wird ihr Gestaltungsprozess greifbar und faszinierend. Bei Arbeiten aus Ton erklärte sie, welche starke Rolle die Oberfläche, die Haptik und Gebrauchsspuren als Gestaltungselement für das Objektdesign spielen. Mit ihrer Bachelorarbeit „Eins + Alles“, welche sich mit dem Thema Oberflächenabnutzung beschäftigt, zeigte Prof. Glaser mit vielen Bildern aus dem Prozess ihre Herangehensweise und dem „Immer-näherkommen“.
Es geht um Greifen und Begreifen, um Anfassen und darum, der Form immer näherzukommen. Prof. Judith Glaser stellte uns außerdem ihre Masterarbeit in Interaction Design vor, mit welcher sie große Aktualität damals und heute beweist. Die von ihr entwickelte Datenbank, wie und wo sich Leute, an welchem Ort aufhalten, erscheint wie ein Wundermittel, das Daten visualisiert und das erste Mal „erkennbar“ macht. „A first of its kind interactive website built with the largest set of publicity available disaggregated energy data in the nation”. (UCLA Energy Atlas) Ihre Aufträge und Arbeiten erfassen diverse Aufträge beispielsweise für die Deutsche Bahn, das Max Planck Institut, das UCLA California Center oder das FUTURIUM/ House of Future in Berlin. Ihr Übergang von der Goldschmiedekunst in das Produktdesign und der Übergang zum Interaktionsdesign erscheint nahtlos und natürlich.
Prof. Glaser gab uns zusammenfassend eine wichtige Erkenntnis mit: Die ganzheitliche Betrachtung des Designprozesses ist der Gegenspieler zur Reflektion. Ganzheitliche Betrachtung und Erfassung heißt für sie: den Status Quo hinterfragen, begreifbar machen, Alternativen entwerfen und begreifbar machen. Darauffolgend: die Reflexion. Prof. Judith Glaser leitet aktuell die Kurse „Die Zeit, die Zeit“, „Würzburg 2.0: Smart, smarter, Smart City?“ und „Material Lab“ (zusammen mit Prof. Frey) und „die Schönheit der Form“. Gegen Ende des Vortrags gab es wenige Fragen, weniger aufgrund von Unklarheiten, sondern aufgrund der bereichernden, aufschlussreichen Vorstellung über ihre interdisziplinären Ansätze zwischen Forschung, Design und Informatik. Prof. Glaser beendet den Abend mit einer sympathischen Geste- die Bezahlung der ersten 100 Getränke. Danke!
Judith Glaser ist seit dem Sommersemester 2023 Professorin an unserer Fakultät. Mehr zu ihr gibt es hier.






