Siebensachen
Dinge und unsichtbare Dinge
»Ich habe gesagt, ich nehme mir mal den Füller, und habe den nie benutzt. Der hat eine superdicke Feder, typisch Vater: protz, protz, superdick die Tinte. Die Buchstaben a und e sind fast ausgefüllt mit Tinte. Dann bin ich ins Karstadt gegangen und habe gefragt, was es kostet, wenn ich eine M-Feder reinmache. Und da sagt die Verkäuferin ›160 Mark‹. Ich frage: ›Was kostet der ganze Füller?‹ Sie: ›380 Mark‹. Schluck. Ich würde mir nie einen Füller kaufen für 380 Mark. Dann habe ich den trotzdem behalten. Ich dachte: ›Ein guter Füller, jetzt hast du den einmal, und er hat auch noch Papa gehört.‹ Aber er hat jetzt eine dünne Feder. Es ist nun meine Feder, eine mit der ich schreiben kann. Mit der anderen, der dicken, kann ich überhaupt nicht schreiben. Ich fand das auch schade, diesen wertvollen Füller einfach bei mir liegen zu lassen und nichts damit zu machen. Da dachte ich, dann benutze ich den auch.« (Loos & Glück, 1962, S. 203)
Sie sind da. Oft unbemerkt. Hilfreich. Die Dinge des Alltags, an die wir uns schon so gewöhnt haben, dass wir sie gar nicht mehr wahrnehmen. Kleine Dinge. Lieblingsdinge. So alltäglich, dass wir fast vergessen, dass sie einmal gestaltet wurden. So alltäglich, dass wir fast vergessen zu fragen, ob sie auch anders gestaltet werden könnten! Welche Geschichten erzählen also die Dinge um uns? Über uns? Über sich? Über andere?
Wenn Lucius Burkhart schreibt, Design sei unsichtbar, dann verweist er nicht auf möglichst komfortablen Gebrauch eines Entwurfs, sondern auf dessen gesellschaftliche Einbettung: Denn was nutzt die schönste Straßenbahn, wenn sie nachts nicht fährt? In diesem Verständnis sollten Gestalter:innen nicht allein danach streben, das zweckmäßigste Objekt nach formalen Schönheitskriterien zu garnieren. Vielmehr geht es um ein Design, »das unsichtbare Gesamtsysteme, bestehend aus Objekten und zwischenmenschlichen Beziehungen, bewusst zu berücksichtigen im Stande ist«. (Burckhardt 2012, S.25)
In diesem Grundlagenkurs wollen wir uns den Dingen unseres Alltags und ihren vermeintlich unsichtbaren Rahmenbedingungen widmen. Stück für Stück. Hands on von der Erschließung eines Kontext bis zum fertigen Entwurf. Es werden keine Vorkenntnisse dreidimensionaler Gestaltung vorrausgesetzt. Wie immer steht die Medienwahl frei. Unabhängig davon wird vermittelt, wie Designlösungen anhand verschiedener Prototyping-Techniken (digital und analog) entwickelt und kommuniziert werden können. Dabei können (müssen aber nicht) auch Aspekte von Fertigung, Nutzbarkeit oder der Lebenszyklen von Produkten erprobt werden. Dafür werden wir uns beispielhaft mit Formholz beschäftigen. Eine Exkursion zum Furnierwerk Kohl in Karstadt ist ebenso geplant wie ein Formholz-Workshop bei und mit Werkstattmeister Steffen Töpfer.
Fragen zum Kurs beantworte ich gern am Dienstag, dem 23.09.25 zwischen 11:00 – 12:00 Uhr online im meinem Zoom.