Dienstagsgespräch:
Design & Demokratie
5.11.24

Diskussionsabend vortragend eingeführt von Prof. Dr. Gesa Foken

Zwei Thesen sind denkbar: Design und Demokratie sind inkompatibel oder aber bedingen einander. Wenn man klarstellt, dass demokratische Aushandlungsprozesse Kompromisse bedeuten, gibt es Zweifel daran, inwieweit erfolgreiche Gestaltungspraxis immer demokratisch ist. Und doch hat Design (im Gegensatz zu vielen künstlerischen Praktiken) mit Beteiligungs- und Kooperationspraxen zu tun, arbeitet selten im Alleingang. Gemeinsame Ideenentwicklung und Ausführung innerhalb der Profession, Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Partner(institutionen) und nicht zuletzt mit den Nutzerinnen und Nutzern prägt das Tun, sorgt für Spannungen und für Erfahrungen, wie kooperative Lösungen und kooperative Arbeitsformen zu entwickeln sind. Zugleich ist Gestaltung und insbesonders Kommunikationsdesign zentral in demokratische Prozesse eingebunden. Die Entwicklung der bürgerlichen Presse und somit der Beginn der Distanzen überwindenden allgemein zugänglichen Kommunikationsmedien hing mit der Entstehung von Republiken zusammen. Kommunikationstheorie ist zugleich Öffentlichkeitstheorie und somit Demokratietheorie.

Ankündigung Dienstagsgespräch Gesa Foken
Gesa Foken

Der Vortrag adressiert zunächst zwei Stachel selbstgerechter Gestaltungshaltung. Erich Fromms Begriff des Marketingcharakters (Escape from Freedom, 1941) ermöglicht es, Gesellschaftsanalyse und Professionsanalyse zusammenzudenken. Der Hinweis auf gegenwärtige Fake-Emanzipation oder Fake- Partizipation in Gestaltungskontexten bzw. die von Lily Corne Klein and Kevin Yuen Kit Lo formulierte Tendenz einer Gentrifizierung von emanzipatorischen Designpraktiken (Manifest First Things Now, 2021) hilft, die Eingebundenheit von Gestaltungshandlung in grundlegende gesellschaftliche Praxis zu verdeutlichen. Damit gilt es, die Illusion zu markieren, man wäre gestaltend in einer Außenposition, von der aus sich bequem die Gesellschaft in eine bessere formen ließe. Nur auf Basis dieses Bewusstseins der professionellen Eingebundenheit in demokratische und entdemokratische Prozesse sind die Fragen zu adressierten, die gegenwärtig wohl die drängendsten sind. Welche Werkzeuge haben wir, um freiheitliche und partizipatorische Prozesse zu stützen? Wo finden wir Vorbilder für aktuell nötiges Tun? Wie machen wir uns – mit Realitätsblick (!) – Mut, um handlungsfähig zu bleiben? Und wie können wir Fähigkeiten aus der Gestaltungspraxis zur Beantwortung dieser Fragen nutzen?

Der Vortrag ist als Einleitung zu verstehen, soll die Abenddiskussion eröffnen und dazu anregen, weiterführende Handlungsoptionen zu sondieren.

Dienstagsgespräch Gesa Foken Poster
Judith Glaser

Gesa Foken (Jg. 1979) ist Philosophin, Design- und Kulturtheoretikerin mit umfangreichem Praxisbezug. Als diplomierte Bildende Künstlerin mit Basis im Kommunikationsdesign wurde sie 2016 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig in philosophischer Ästhetik (Dr. phil.) promoviert. 2023 wurde sie von der Hochschule Darmstadt (Fachbereich Gestaltung) zur Professorin berufen. Von 2022 bis 2023 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der THWS, Fakultät Gestaltung. Zu ihren umfangreichen publizistischen Aufgaben und Vorhaben gehört der Beitrag »Design – Demokratie – Bildung« in »Kritische Theorie des Designs« (Daniel M. Feige, Gerhard Schweppenhäuser, 2025/26) sowie die zusammen mit Carolin Höfler für 2025 geplante Herausgabe von »intervening drawing. distillation of form as an act of learning and a social practice« und damit von emanzipatorisch-engagierten Formhaltungen in Design, Architektur, Kunst und Bildung.

www.foken-gesa.de
www.interveningdrawing.de