Dienstagsgespräch:
Dr. Anja Schürmann
18.5.21
Von schnellen und langsamen Seiten. Bewegung im Fotobuch
Geschwindigkeit in der Fotografie, so schreibt Michel Frizot, ist immer eine „Kopplung zweier Geschwindigkeiten: der des Objekts und der des Verschlusses, der die Dauer des Lichteintritts in die Kamera bestimmt.“ Wenn wir von Bewegung in der Fotografie sprechen möchten, addiert sich zu jenen Selbstverständlichkeiten noch eine Reihe anderer Werte, die Bewegung simulieren: Eine fotografische Schneedecke, um ein thematisches Beispiel zu nennen, suspendiert Zeit durch die Egalisierung von Umgebungsinformationen wie Farben, Formen und Lichtfall. Gleichzeitig wissen wir, dass Wasser bei Schnee seinen Aggregatzustand gewechselt hat und gefroren, also stillgestellt wurde.
Während zeichentheoretische und damit denotierende Lesarten das Foto und seine Rezeption vor allem still gestellt haben, möchte mein Aufsatz die Bewegung des fotografischen Bildes im Buch untersuchen, wobei ich Bewegung im Sinne von Werner Wolf als doppeltes Narrem begreife: Zum einen verbindet diese spezifische Form der Gerichtetheit die Fotografien untereinander, zum anderen hilft sie dem Betrachtenden, mit dem Buchobjekt zu interagieren. Mein Beitrag möchte an konkreten Fotobüchern z.B. im Bereich der Landschafts- und Streetphotography exemplifizieren, wie jene Interaktion zwischen Fotograf*innen und Fotografiertem, Seiten und Bildern, abgebildeten und betrachteten Menschen ‚als Bewegung‘ zustande kommt.
Dr. Anja Schürmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI). Seit ihrem Studium der Kunstgeschichte, Älteren und Neueren Germanistik, Musikwissenschaft und Psychologie an den Universitäten Düsseldorf und Konstanz schreibt sie Essays für Ausstellungskataloge, Kunstmagazine und Künstlerbücher im Wesentlichen in den Bereichen Fotografie und zeitgenössische Kunst. 2016 wurde sie als Talent Kunstkritik in der Reihe C/O Talents von c/o Berlin ausgezeichnet. Ihr Post-Doc Projekt beschäftigt sich unter dem Titel Gebundene Bilder: visuelles Erzählen im Fotobuch mit Formen der Narration im fotografischen Künstlerbuch. Im März diesen Jahres ist dazu ein von ihr mitherausgegebenes Themenheft der Zeitschrift Fotogeschichte mit dem Titel Weiterblättern! Neue Perspektiven der Fotobuchforschung erschienen.
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Abb. 1_© Valerie Schmidt
Abb. 2_ Gerry Johansson, American Winter, MACK: London 2018, Doppelseite o. S.
© Gerry Johansson
Abb. 3_Carolyn Drake, Two Rivers, self-published 2013, Doppelseite o. S. © Carolyn Drake